Im Kaninchenbau waren Erdballen, winzig kleine Erdballen
- monikamager
- 23. Feb.
- 8 Min. Lesezeit
Diese hier ist mein erster Blog-Beitrag nach ungefähr 15 Jahren. Früher habe ich über andere Themen geschrieben, aber ich bin sehr froh, dass das Bloggen wieder zurück kommt ausgerechnet in dem Moment, wo es mir ein so großes Bedürfnis ist mein Wissen über den Anbau von Schnittblumen zu teilen.
In meiner Phantasie habe ich mir natürlich einen wunderbar chronologischen Ablauf vorgestellt, um euch zu zeigen, womit ich mich beschäftige, aber die Natur, die Zeit, der Lauf der Dinge werfen Pläne immer über den Haufen und es wird alles irgendwie anders. Diesem Prinzip, dem wohlgemeinten Chaos, das ja eigentlich schon in meinem Projektnamen ‚Kramurigarten‘ erkennbar ist, unterwerfe ich mich also und fange in der Mitte an. Wir werden sehen, wo uns das hin führt.
In diesem Beitrag geht es nun also um meine Jungpflanzenanzucht. Es geht weniger um die Sorten, sondern um das wie. Ich habe folgendes Problem, das ich mit sehr vielen Flowerfarmern teile. Ich kann meine Jungpflanzen, die Ein-und Zweijährigen, nicht irgendwo bestellen, sondern muss sie mir selber heranziehen. Es gibt weder die Sorten, die ich gerne hätte, noch die Bioqualität, die ich mir wünsche. Ich bin zwar nicht zertifiziert, aber halte mich an die Regeln der Slowflowerbewegung, die im Prinzip Bio-Richtlinien sind. Das ist jedoch nicht das wirkliche Problem, weil es ein großer Spaß ist, Blumen und überhaupt Pflanzen selber zu ziehen, aber ich habe schlicht und ergreifend zu wenig Platz. Ich habe kein Gewächshaus am Feld und wohne in einer 70 qm Stadtwohnung -die ich außerdem teile mit Mann, Katze und Kater-, die zwar einen Garten hat, aber ich brauche einen geschützten Raum, in dem ich das Klima für meine Pflänzchen regulieren kann, damit sie den bestmöglichen Start haben.
Das Platzproblem hat mich ganz tief in den Kaninchenbau purzeln lassen. Ich habe stundenlang gelesen, Podcasts gehört, Videos geschaut, noch mehr gelesen, recherchiert, ausprobiert, viele Pflanzen umgebracht, noch mehr probiert, noch mehr gelesen, noch mehr Pflanzen umgebracht und bin am Ende doch fündig geworden. Es gibt eine Lösung.
Diese Lösung besteht aus zwei Teilen. Der erste Teil ist eine Erdballenpresse und der zweite Teil die Erde für diese Erdballen. Im Laufe meiner Recherche bin ich auf die Erdballen gestoßen. Das ist absolut keine Neuigkeit, jedoch war mir nicht klar, dass es eine Presse gibt, die sehr sehr klein ist und daher sehr sehr kleine Edballen produziert, die eine Kantenlänge von nur 18 mm haben. Das ist wirklich winzig. Kann das funktionieren? Die Presse selber kommt aus UK. Eine der Flowerfarmerinnen, die in den USA damit arbeitet und ihr Wissen sehr gerne teilt, ist Lisa Mason Ziegler. Dort habe ich unglaublich viele Ideen und Tipps zum Arbeiten mit der Minipresse bekommen. An einigen anderen Stellen auch noch, aber bei ihr die meisten.
Diese kleine Presse löst also erst mal das Platzproblem. Ich habe mir kleine weiße Frühstückstabletts besorgt und schaffe es mit der Presse 100 Erdblöcke auf ein Tablett zu platzieren. Die Tabletts lassen sich nach der Benutzung bestens reinigen, aufgrund der kleinen Größe kann ich sie in den Geschirrspüler tun. Das ist ein nicht zu unterschätzender hygienischer Vorteil, den mir die Quickpots nicht bieten können. In meinem Arbeitszimmer habe ich ein handelsübliches Lastenregal aus dem Baumarkt aufgestellt. Auf eine Regalebene passen neun dieser kleinen Tabletts. Sollte also tatsächlich alles keimen auf einer Ebene, was es nie tut, aber nur rein theoretisch, dann habe ich im Idealfall auf einem Regalbrett 900 Jungpflanzen. Im Vergleich dazu bekomme ich auf dieselbe Ebene nur drei Quickpotplatten mit z. B. 77 Zellen, maximal 231 Pflänzchen, also nur etwa ein Viertel der Menge der Erdballen.

Derzeit habe ich in meinem Regal fünf Ebenen für die Anzucht, eine sechste würde sich auch noch ausgehen, macht also momentan für mich maximal 4500 Pflänzchen, die ich gleichzeitig auf einem Regal in meinem Arbeitszimmer vorziehen kann. Ich habe etwa 30 5-Meter-Beete für meine Ein- und Zweijährigen am Feld. Wenn ich Ausfälle mit einrechne, brauche ich etwa zwei Tabletts für ein Beet. Das heißt, mit nur einer Runde Anzucht aus diesem Regal kann ich etwa 22 meiner Beete oder 110 Quadratmeter reine Beetfläche bestücken. Die Realität sieht eher so aus, dass ich zwar ab Ende Januar immer etwas im Regal stehen habe bis September, aber meistens nicht alle fünf Regalebenen brauche. Daraus ergibt sich automatisch ein versetzter Anbau am Feld, der mich über das gesamte Jahr mit Blumen versorgt. Das ist allerdings wieder ein ganz anderer Kaninchenbau. Ihr merkt hoffentlich, es gibt wahnsinnig viele Abzweigungen und ich muss mich konzentrieren, nicht ständig abzudriften.
Damit es funktioniert, brauchen diese Erdballen nun die richtige Erdmischung, weil es mit stinknormaler Aussaaterde nicht gut funktioniert. Erde für die Presse funktioniert anders als normale Erde für Aussaaten. Gebraucht wird eine Erde, die sehr kompakt und dennoch durchlässig ist. Die Blöcke sollen stabil sein, aber trotzdem gut Wasser aufnehmen, ohne die Form zu verlieren. Bei den kleinen Blöcken ist es außerdem wichtig, dass sie im Gegensatz zu herkömmlicher Aussaaterde gut mit Nährstoffen gefüllt ist.
Die Anforderungen hören sich recht simpel an, sind es aber nicht. In amerikanischen Foren existieren einige Rezepte die gut funktionieren, die sich aber nicht eins zu eins übertragen lassen, da manchmal Zutaten hierzulande nicht zu beschaffen sind bzw. braucht es ein bisschen Zeit herauszufinden, was die Alternative sein könnte. Eine Sache, die im deutschsprachigen Raum weit verbreitet und schlichtweg falsch ist, ist die Aussage, dass eine Anzucht gesunder Pflanzen nur mit torfhaltiger Erde möglich sei. Nach all meinen Versuchen würde ich sagen, dass für die kleinen Blöcke torfhaltige Erde, abgesehen davon, dass sie sowieso tabu sein sollte, sogar sehr kontraproduktiv ist. Die kleinen Blöcke trocknen während des Anzuchtprozesses immer wieder mal für ein paar Stunden aus. Das soll so sein und ist gut so. Allerdings ist torfhaltige Erde kaum wieder zu befeuchten. Die Nutzung für Miniblöcke ergibt also überhaupt keinen Sinn. Ich hab euch mal ein paar Videos gemacht, um zu zeigen, wie gut sich auch völlig ausgetrocknete Blöckchen wieder anfeuchten lassen.
Ausgetrocknete Blöcke
Aus dem Lesen sämtlicher für mich auffindbarer Rezepte sowie meiner Versuche ergeben sich für mich folgende Zutaten, die ich noch ein bisschen erklären möchte, bevor ich die Rezeptur aufschreibe.
Torffreie Aussaaterde: Ich habe festgestellt, dass es nahezu egal ist, welche Aussaaterde ich nehme. Für mich ist entscheidend, dass sie torffrei, möglichst bio ist und vor allem, dass sie möglichst feinkrümelig ist. Die Erde wird vor ihrem Gebrauch gesiebt und hier macht sich der größte Qualitätsunterschied bemerkbar. Gute Erden sind an sich schon relativ fein und es bleibt sehr wenig grobes Material im Sieb zurück.
Kokoserde: Ich benutze Kokoserde, die in Ziegeln gepresst ist und mit Wasser aufzuquellen ist. Das hat mehrere Vorteile. Zum einen sind die Ziegel leicht und ich muss nichts herum schleppen. Zum anderen ist die Kokoserde ein guter Wasserspeicher, was bei den oben genannten Anforderungen sehr gut ist. Allerdings kann Kokoserde problematisch sein. Sie ist ein Nebenprodukt der Kokosfaserherstellung und stammt häufig aus zweifelhaften Monokulturen. Es gibt allerdings Kokoserde aus zertifizierter Herkunft und mit ein bisschen Suchen auch in Bioqualität. Eine gute Quelle für hervorragende Erden, Dünger und Zusätze sind übrigens Grow Seiten, die sich mit Hanfanbau beschäftigen. Dort gibt es zudem eine Unmenge an Informationen, wie die gesündesten Pflanzen auf kleinstem Raum zu produzieren sind. Ich muss sagen, diese Hanf-Community ist ein lustiger Haufen Nerds, die aus jedem einzelnen Pflänzchen eine Wissenschaft machen. Da sie das Ergebnis am Ende meistens selber konsumieren legen außerdem ganz viele dort durchaus Wert auf Bioqualität. Wer hätte das gedacht? Ich zumindest nicht, aber ich bin froh, dass mich die Recherche in diese Gefilde gebracht hat.
Natriumalginat: Das ‚Zaubermittel‘ in der Mischung. Natriumalginat ist ein Gelbildner, der aus Meeresalgen gewonnen wird. Wir kennen es eigentlich alle, ohne es zu wissen, weil es sehr häufig in der Lebensmittelindustrie verwendet wird als Verdickungsmittel, auch in Bioprodukten. In der Forstwirtschaft kommt es außerdem bei der Aufforstung sehr häufig zum Einsatz, da es die Wurzeln der Jungpflanzen vor Austrocknung schützt und sich ansonsten neutral im Boden verhält. Das Alginat kann enorme Mengen an Wasser speichern und bewirkt in der Mischung, dass auch bereits komplett ausgetrocknete Blöcke ganz problemlos wieder befeuchtbar sind.
Schafwollpellets: Die Schafwolle dient in der Mischung hauptsächlich als Dünger, unterstützt aber auch die Wasserretention in der Mischung. Vor dem Einsatz sollten die Pellets unbedingt ganz klein gehäckselt werden (ich mach das mit einer Küchenmaschine) und anschließend mit heissem Wasser etwa 20 Minuten eingeweicht werden.
Urgesteinsmehl: Das Urgesteinsmehl liefert Mineralstoffe in der Mischung, die es den Jungpflanzen erleichtert die organischen Nährstoffe aufzunehmen. Bitte nehmt nicht das Zeug aus dem Baumarkt von den ganzen großen Marken. Das ist kein Urgesteinsmehl, sondern maximal für Kieswege geeignet! Richtiges Urgesteinsmehl ist wie der Name schon sagt so fein wie Mehl, also Gesteinsstaub. Es handelt sich tatsächlich um vermahlene Mineralien, die solche Stoffe wie Kalzium, Kalium, Magnesium etc. enthalten. Für die Pflanzen sind sie wichtig, weil diese Stoffe die Aufschlüsselung der organischen Nährstoffe erleichtert. Da ich Schafwollpellets verwende, habe ich oragnischen Dünger, der aus langen Aminosäureketten besteht, die erst abgebaut werden müssen, damit die Pflanze die Stoffe, die sie braucht, verwerten kann. Deswegen reden wir von Langzeitdünger. Die Mineralien erleichtern den Abbauprozess der Schafwolle. Je mehr Oberfläche des Mineral zur Verfügung steht, desto besser kann die Schafwolle damit reagieren. Deswegen ist es wirklich wichtig ein Mehl zu haben und keine Brocken. Mehl hat viel mehr Oberfläche. Eine gute Quelle findet ihr z.B. hier. Das war jetzt nur ganz allgemein erklärt aber wie ihr vermutlich merkt ist hier wieder eine Abzweigung versteckt.
Mykorrhizapulver: Mykorrhizapilze gehen mit dem Wurzelsystem der Pflanze eine Symbiose ein. Sie geben Phosphate und Nitrate an die Pflanze ab und erhalten im Gegenzug von der Pflanze ein bisschen vom produzierten Zucker. Diese Symbiose sorgt anscheinend während der Anzucht für ein sehr feines Wurzelgeflecht, das in weiterer Folge am Feld zu einer höheren Toleranz gegenüber Trockenheit führt. Ich kann in Wirklichkeit gar nicht sagen, ob es in der Aussaat einen Sinn ergibt, aber was ich sehr wohl sehe ist, dass die Pflänzchen in den winzigen Blöcken unglaubliche Wurzeln entwickeln in kürzester Zeit. Ob das tatsächlich auch auf die Pilze zurückzuführen ist, weiß ich nicht sicher. Neues Rabbithole, es riecht förmlich nach ein paar Vergleichtests.
Hier nun endlich mein Rezept. Man nehme:
6 Liter gesiebte Aussaaterde
3 Liter gesiebte Kokoserde
Ca. 100 ml Schafwollpellets, gehäckselt und in heissem Wasser eingeweicht
1 gehäufter EL Urgesteinsmehl
1 gehäufter EL Witalgin (Natriumalginat der Firma Witasek) in einem Liter Wasser aufgelöst (etwa 30 Minuten im Wasser quellen lassen.
½ Messlöffel Mykorrhizapulver (ich benutze dieses)

Ich brauche ein großes Gefäß, eine Kiste oder Wanne, deswegen habe ich eine Aufbewahrungsbox aus dem Keller umfunktioniert. Dort drin mische ich die trockenen Zutaten und gebe anschließend das aufgelöste Witalgin sowie die gequollene Schafwolle dazu. Danach gebe ich noch mehr Wasser hinzu bis die Mischung so feucht ist, dass sie beim festen Zusammendrücken wieder etwas Wasser abgibt. Dann befülle ich die Presse und streife die überschüssige Erde an der Unterseite gründlich ab. Das Abstreifen ist wirklich wichtig und ich habe schon oft gesehen, dass es nicht gemacht wurde. Es ist wichtig, damit die Blöcke stabil stehen und damit das Wasser zwischen den Blöcken fließen kann und überall hin kommt. Am besten seht ihr hier, wie es funktioniert. Da sieht man gut, wie feucht / nass die Erde sein sollte und wie man die Blöcke am besten befüllt.



Das war’s jetzt erst mal zu meinen winzigen Erdblöcken. Für mich ist es wirklich eine Erleichterung. Ich spare Platz, Ressourcen und Geld. Außerdem können meine Pflanzen im Schnitt zwei Wochen früher raus, als bei der Anzucht in Quickpots. Das heißt ich spare auch Zeit, selbst wenn ich ein bisschen länger brauche für das Anmischen der Erde und das Pressen. Zwei Wochen weniger Kümmern um Jungpflanzen ist ein großer Zeitfaktor!
Hoppla! Das war unerwartet ausführlich für den Wiedereinstieg ins Bloggen. Ich hoffe es hilft euch ein bisschen. Wenn es euch gefällt, lasst gerne einen Kommentar oder Fragen da. Ich werde dann ganz bald einen weiteren Teil dazu schreiben, wie genau das Setup für das Regal aussieht, wie der Giessrhythmus ist, wie die Kleinen gedüngt werden und wann meine Pflänzchen fertig sind für’s Feld..
Frohes Ausprobieren und blumige Grüße!
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